Das 7. Wiener Symposium Psychoanalyse & Körpervon 21. bis 24. Mai 2009 schließt inhaltlich an die sechs ersten Symposia (1998, 2000, 2002, 2004, 2005, 2006 - Übersicht hier) an. Diesmaliger Themenschwerpunkt:
Der Gesang der Sirenen
Hören - Sprechen - Stimme - Resonanz
Das Auge führt den Menschen in die Welt, das
Ohr führt die Welt in den Menschen
(Lorenz Oken, Deutscher Naturphilosoph
des 19. Jahrhunderts)
Unser Gehör ist unserem Gesichtssinn in mehrfacher Weise überlegen. Kein anderes Organ spricht auf so minimale Schwingungen an wie unser Ohr. Wenn ein Maler beispielsweise drei Farbtöne miteinander vermischt, kann unser Auge als Resultat nur eine einzige neue Farbe wahrnehmen. Wenn Klarinette, Oboe und Flöte miteinander erklingen, kann unser Ohr die resultierende Mischung sowohl als neuen Klang wahrnehmen, als auch die drei Instrumente, die diesen Klang hervorbringen, voneinander unterscheiden. Im Gegensatz zum Gesichtssinn ist unser Ohr imstande, unterschiedliche Frequenzen mit mathematischer Genauigkeit zu messen. Jeder Mensch kann eine Oktave hören, d. h. messen, dass die eine Frequenz doppelt so groß ist wie die andere. Niemand kann so etwas sehen: dass die eine Farbe doppelt oder halb so schnell schwingt wie die andere. Das sog. absolute Gehör kann man bilden, erziehen. Es hängt von der Messfähigkeit des Ohres ab, die trainierbar ist. Diese Fähigkeit ist als implizites Wissen in jedem Menschen vorhanden. Das Auge kann nur schätzen, während das Ohr misst. Von präziser Wahrnehmungsfähigkeit kann man daher nur im Akustischen sprechen.
Diese präzise Unterscheidungsfähigkeit betrifft nicht nur den Bereich der Musik, sondern auch die menschliche Stimme. Die Evolution hat es so angelegt, dass an der Hörschnecke des menschlichen Innenohrs die stärkste Konzentration von Nervenfasern anzutreffen ist. D. h. diese winzige Stelle unseres Körpers ist unser empfindlichstes Körperareal! Dort also will die Evolution, dass wir am intensivsten und sorgfältigsten wahrnehmen.
Und die Evolution scheint gewollt zu haben, dass wir zwar unsere Augen verschließen können, nicht aber unsere Ohren. Akustischen Reizen kommt daher leicht eine regelrecht bedrängende Qualität zu, der man nicht widerstehen kann. Das wusste bereits Odysseus, der sich von seinen Gefährten fesseln ließ, weil er wusste, er würde aus eigener Kraft nicht in der Lage sein, dem Gesang der Sirenen zu widerstehen.
Warum also hat die Natur gerade unseren Gehörsinn so unverhältnismäßig sorgfältig differenziert viel sorgfältiger als unseren Sehsinn?
Warum hat sie die Messfähigkeit, die Mathematik, gerade in ihm verborgen? Und warum diese anatomische Nähe zum Gleichgewichtssinn?
Warum sind die Wahrnehmungen unseres Ohres so viel genauer als die des Auges? Warum ist die Bandbreite des Hörbereichs so viel größer, exakt um das Zehnfache als die des Sehbereichs?
Warum ist das vestibulo-cochleäre System das erste Sinnessystem, das sich beim Embryo, also noch in der intrauterinen Lebensphase des Menschen, entwickelt?
Diese und andere Fragen werden uns auf der Tagung beschäftigen. Sie beinhalten wichtige Implikationen für uns Psychotherapeuten! Die Wissenschaft richtet ihr Augenmerk gegenwärtig noch sehr auf das Visuelle denken wir an die bildgebenden Verfahren, die eine Revolution in den Neurowissenschaften ausgelöst haben. Aus methodenübergreifender Sicht soll auf dieser Tagung ein Impuls gesetzt werden, dem akustischen Bereich auch im psychotherapeutischen Wirkgeschehen jenes Gewicht zu geben, das ihm offensichtlich zuzukommen scheint.
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