Stimme und Primäraffekte

In der heutigen Bioenergetischen Analyse können durch Affektausdrucksübungen die Primäraffekte differenziert und moduliert werden. Diese Fähigkeiten der Affektdifferenzierung und der Affektmodulation spielen sowohl bei den Persönlichkeitsstörungen als auch bei den neurotischen Störungen eine große Rolle und der Weg der Affektdifferenzierung und –modulation hin zu der Mentalisierung dieser Vorgänge wird von mir über das inszenierende Spiel in diesem Workshop dargestellt. Dabei soll dieser Workshop den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit zur eigenen stimmlichen Selbsterfahrung geben, in dem die Affektausdrucksqualitäten stimmlich anklingen sollen, um im Anschluss daran die Bedeutung für die therapeutische Arbeit darzustellen und zu diskutieren.

Literaturverzeichnis
Oelmann, K. (2003) : Energie-Affekt-Beziehung. Bioenergetische Analyse heute – oder: Von hemmender Angst zu haltendem Vertrauen. In: Oelmann, K. (Hg.) (2003): Forum der Bioenergetischen Analyse. Selbstverlag (Königswinter), 17–31.
Oelmann, K. (2004): Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse über Primäraffekte und ihre Bedeutung für die Bioenergetische Analyse. In: Oelmann, K. (Hg.) (2004): Forum der Bioenergetischen Analyse. Selbstverlag (Königswinter), S. 79-92.
S. Evers

Physiologische und pathologische Wirkungen von Musik auf das Gehirn
Anhand von Beispielen werden die physiologische Verarbeitung von Musik und einige krankhafte Zustände der Musikperzeption erläutert.

Maria Steiner Fahrni:

Vom Sehsinn in Träumen und im Alltag einer gehörbehinderten Patientin

Der Vortrag zeigt die Zusammenhänge auf zwischen der Traumwelt der Patientin und ihrer kompensatorischen Bewältigung ihrer Hörbehinderung im Alltag. Der Beitrag thematisiert den bisherigen Therapieprozess:
- Über die Kompensation bei einer Hörbehinderung und darüber,
- Wie sich diese Kompensation in einem „doppelten Sehsinns“ sowohl in ihren Träumen, wie auch in ihren Gedanken, in der Alltagsbewältigung und im Setting manifestiert,
- Wie sich das frühkindliche und familiäre Klima bei der Patientin auf ihre Kompensation auswirkt,
- Wie ihr Erleben verstanden und neu gestaltet werden kann und
- Welche Aspekte bei der Übertragungsentwicklung bedeutungsvoll sind.
Sphären der Behandlung

Günter Heisterkamp

In diesem Seminar möchte ich mich mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sensibilisieren für die Bildung und Wandlung von Atmosphären in psychotherapeutischen Behandlungen. Zum Einstieg werden Selbstexperimente angeboten. An konkreten Fallvignetten aus Vortrag und/oder Praxis der Gruppenmitglieder, in denen Hören und Sprechen, Stimme, Stimmung und Umstimmung bedeutsam wurden, werden die behandlungsmethodisch relevanten „Anspielungen“ und „Andeutungen“ herausgearbeitet. Dabei lässt sich zeigen, wie derartige leibliche „Assoziationen“ in der Analytischen Körperpsychotherapie als Bewegungsentwürfe von Therapeuten an- und aufgenommen sowie dem Patienten Bewegungsspielräume eröffnet werden können, um sie operativ durchzuarbeiten.

Empfohlene Lektüre:
Geißler, P. (2009): Analytische Körperpsychotherapie. Eine Bestandsaufnahme. Psychosozial-Verlag, Gießen. Kap.: Die Welt ist Klang.
Heisterkamp, G. (2007): Zur Behandlungsatmosphäre aus der Sicht des Analysanden. Zeitschrift für Individualpsychologie 32, S. 6-25

Die Botschaft hör ich wohl… Stimme und Hören im Kontext einer sich inszenierenden Beziehungsgeschichte (Workshop zum Vortrag)

G. Poettgen-Havekost

Anhand von kasuistischem Material, auch der Teilnehmer, soll eine Annäherung an das implizite Verstehen von stimmlichen Mitteilungen jenseits des gesprochenen Wortes innerhalb der therapeutischen Dyade erarbeitet werden. In diesem Kontext können auch funktionelle oder strukturelle Erkrankungen, die mit einer Beeinträchtigung des Stimmapparats und der Hörfunktion wie z. B. beim Tinnitus einhergehen, betrachtet werden.
B. Gindl

Anklang fühlen - Emotionale Resonanzerfahrungen in der Musiktherapie

Therapie, die von nachhaltiger Wirkung sein soll, ist das Gemeinschaftswerk zweier Menschen, die sich aufeinander einlassen. Ihren Kern bildet die Erfahrung emotionaler Resonanz. Auf der Grundlage eines entwicklungspsychologisch grundgelegten Therapieverständnisses, das den frühen vorsprachlichen und schon intrauterin erlebten Beziehungserfahrungen in wechselseitigen Resonanzprozessen zentrale Wichtigkeit beimisst, vertrete ich einen gleichermaßen musik- wie körperpsychotherapeutischen Ansatz.

Musiktherapie ist geeignet, dieses subtile zwischenmenschliche Schwingungsgeschehen einerseits anzubahnen und andrerseits sinnlich fassbar zu übermitteln und es zu regulieren. So können besonders jenen Menschen, deren Störungen auf nicht oder unzureichend stattgefundener Resonanz beruhen und bei denen die eigene emotionale Resonanzfähigkeit in der Folge blockiert oder unreguliert ist, heilsame Neuerfahrungen ermöglicht werden.

In diesem Workshop lade ich Sie ein, sich diesem Grundprinzip therapeutischer Beziehung sowohl theoretisch als auch im (musiktherapeutischen) Selbst-Erfahren anzunähern.

Literaturhinweis zur Vertiefung: Gindl Barbara (2002): Anklang - Die Resonanz der Seele. Über ein Grundprinzip therapeutischer Beziehung. Paderborn: Junfermann.
P. Geißler:
Emotionales Signalisieren: Zur Phylogenese und Ontogenese der Affekte

„Wenn Entwicklung grundsätzlich einen Veränderungsprozess repräsentiert, dann ist Psychotherapie in ihrer Essenz angewandte Entwicklungspsychologie,“ Diesen Satz hat Schore, ein gegenwärtig wichtiger Psychoanalytiker und Neurowissenschaftler geprägt. Die Affekte stehen dabei im Zentrum des therapeutischen Interesses. Aber auch in anderen Wissenschaften rücken affektive Prozesse stärker ins Blickfeld (wie in der Primatenforschung, der Evolutionsbiologie, der Sprachforschung, in den Kognitionswissenschaften etc.). Die Emotionen und insbesondere eine ihrer speziellen Eigenschaften – das emotionale Signalisieren – war mitverantwortlich für die Evolution der menschlichen Spezies. Das emotionale Signalisieren erweist sich nicht nur als Bindeglied zwischen subsymbolischen subkortikalen und symbolischen kortikalen Prozessen. Es ist ebenso der Leim, der die biologischen und kommunikativen Prozesse in der Entwicklung der Sprachfähigkeit zusammenhält.

Die Emotion hat sich in der Evolution des Menschen als entscheidender Motor erwiesen, und sie spielt eine ebenso große in der frühkindlichen Entwicklung, v. a. auch im Hinblick auf die Herausbildung intellektueller Fähigkeiten. Insofern muss das heute noch bedeutsame konstruktivistische Entwicklungsmodell von Piaget um die Bedeutung der Affekte ergänzt werden. Wofür die prähistorischen Menschen Millionen von Jahre brauchten, benötigt das menschliche Baby gerade 18 bis 24 Monate. Dabei umfasst das System des Affektsignalisierens manuelle Gesten, Lautgebungen, Körperhaltungen und subtile mimische Äußerungen, wodurch eine fast unendliche Vielfalt an subtilen Kommunikationsmöglichkeiten entstanden ist. Die präverbale Interaktion, die wesentlich den akustischen „Kanal“ benutzt, bildet dabei den Kontext für das Meistern bedeutungsvoller verbaler Symbole. Ohne dieses Wissen durch Handeln lassen sich Worte zwar instrumentell benutzen, aber sie enthalten keine spezifische Bedeutung für den Benutzer. Worte können erst dann kreativ benutzt werden, wenn diese nonverbal vermittelte emotionale Basis vorhanden ist.
E. Zimmermann:

Zur Evolution des emotionalen stimmlichen Ausdrucks

Die menschliche Sprache stellt eine einzigartige Leistung des menschlichen Gehirns dar, deren Evolution bisher erst in Ansätzen verstanden ist. In der Sprache werden neben linguistischen auch nicht-linguistische Informationen übermittelt, die in der Prosodie der Stimme ausgedrückt werden. Kulturübergreifende Studien deuten auf Ähnlichkeiten in prosodischen Strukturen, die über die Kulturen hinweg dieselben Emotionen anzeigen. Dies deutet darauf hin, dass dem emotionalen Ausdruck bei Mensch und Tier gemeinsame stammesgeschichtliche Wurzeln zu Grunde liegen.
In meinem Vortrag werde ich diese phylogenetische Kontinuitätshypothese am Beispiel aktueller Befunde aus der akustischen Säugetierforschung überprüfen. Auf der Basis eines ethologisch begründeten individuenbezogenen und kontextspezifischen Emotionskonzepts werde ich akustisch ausgedrückte Emotionen in verschiedenen sozialen Szenarien vergleichen, mit dem Ziel dabei herauszuarbeiten, welche Komponenten im emotionalen stimmlichen Ausdruck universell sind bzw. sich im Verlauf der Evolution kontinuierlich verändert haben.

Die Stimme beim Sprechen

J. Scharff

In dem Workshop soll es - nach einer kurzen Einführung - im gemeinsamen Miteinander um eine praxisnahe Erforschung dessen gehen, was später in meinem Vortrag weiter ausgeführt wird. Über Beispiele aus dem Teilnehmerkreis können wir uns dafür sensibilisieren, mit welcher(n) Stimme(n) unsere Patienten sprechen, wie dies in uns nachwirkt und welche Botschaften wir dem vielleicht entnehmen können. Es wird aber auch darum gehen, unsere Aufmerksamkeit auf das »Wie« unseres eigenen Sprechens zu richten und damit unsere Achtsamkeit zu erhöhen für die oft vorbewusst/unbewussten Signale, über die wir auf unseren Patienten einwirken. Denkbar wäre zum Beispiel, einige ganz geläufige Sätze, die in vielen Stunden vorkommen, einmal in möglichst vielen stimmlichen Variationen auszusprechen ...
M. Tillmann: Ich, das Geräusch

Es besteht die Gelegenheit nach einer Einführung in das Thema, im Vortrag aufgestellte Thesen zu vertiefen. Auf Behandlungsverläufe und klinische Beispiele – gern auch der TeilnehmerInnen - kann vertiefend eingegangen werden.
R. Ware

„Ich höre Deine Scham."
Ein intersubjektiver Umgang mit unaussprechbaren Affekten.

Schamkonflikte gehören zu den am meisten abgewehrten Seelenbereichen eines jeden Menschen. Um die unsäglichen, unaussprechlichen Affekte seines Therapiepartners gefühlsmäßig verstehen zu können, ist der Analytiker auf die Resonanz seiner eigenen Scham, Scham-Angst und Beschämungsgeschichte angewiesen. In der therapeutischen Beziehung muss der Therapeut in teils wortlosen körperlich-emotionalen Interaktionen stereophon über zwei Kanäle zuhören: Die Beschämungsnotlage des einen bringt die Scham-erfahrungen des anderen zum Erklingen.

Zur Korrektur früher Beziehungserfahrungen von inkongruenter Spiegelung in der Vorgeschichte brauchen Patienten häufig nicht so sehr Empathie als vielmehr die Resonanz eines abgegrenzten, auf sie und ihr Gefühl bezogenen Anderen. Die Scham seines Gegenübers kann der Therapeut oft am besten schützen und Entwicklung fördern, indem er wie ein Resonanzboden eigene Schamgefühle und -erlebnisse intersubjektiv anklingen lässt.

V. Sommer:

Kommunikation ist Manipulation. Zur Evolution von Lautsignalen

Unter Kommunikation wird gerne der Austausch von Information verstanden. Für Biologen wohnt dem Prozess jedoch eine andere Dynamik inne, ganz gleich, ob es sich um visuelle, geruchliche, taktile oder akustische Signale handelt. Denn stets muss es dem Sender gelingen, den Empfänger zu überzeugen - sonst erfolgt keine Reaktion. Bei Kommunikation geht es also in erster Linie nicht um Information, sondern um Manipulation. Im Unterschied zur traditionellen Sicht werden beide Parteien als egoistisch motiviert verstanden. Der Sender wird deshalb versuchen, sein Ziel mit möglichst geringem Aufwand an Zeit und Energie zu erreichen - den Einsatz betrügerischer Signale eingeschlossen. Für einen Empfänger wiederum ist ein Signal umso glaubwürdiger, je kostspieliger es erscheint - denn Aufwand ist ein Maßstab für Ehrlichkeit. Geredetem bringen wir deshalb eine naturgegebene Skepsis entgegen, weil sprachliche Laute relativ "billig" produziert werden können und die Betrugsgefahr entsprechend hoch ist. Umgekehrt erheischen Lautäußerungen automatisch mehr Aufmerksamkeit, wenn ihre Produktion elaborierter ist. Auf diesem Hintergrund läßt sich der Reiz von Gedichten, Liedern oder Instrumentalmusik ebenso verstehen wie die Magie multimedialer Rituale oder die Funktion tierlicher Lautproduktion - vom Hirscheröhren über Froschquaken, Knieklicken bei Antilopen und Grillenzirpen bis hin zu Vogelkonzerten.

PROGRAMM*)

Freitag 22.Mai 2009

9h00 - 9h45

P. Geißler: Emotionales Signalisieren: Zur Phylogenese und Ontogenese der Affekte

9h45 - 10h30 E. Zimmermann: Zur Evolution des emotionalen, stimmlichen Ausdrucks
  Pause
11h10 - 12h45 WORKSHOPS
B. Gindl:Anklang fühlen - Emotionale Resonanzerfahrungen in der Musiktherapie (Teil 1) (voll)
  G. Heisterkamp: Sphären der Behandlung
  K. Oelmann: Stimme und Primäreffekte
G. Poettgen-Havekost: Die Botschaft hör ich wohl…
J. Scharff: Die Stimme beim Sprechen
  Mittagspause
15h00 - 16h00 M. Steiner Fahrni: Vom Sehsinn in Träumen und im Alltag einer gehörbehinderten Patientin 
16h00 - 17h00 S. Evers: Physiologische und pathologische Wirkungen von Musik auf das Gehirn
  Pause
17h30 - 18h30

R. Ware: Ich höre Deine Scham

  Pause
18h50 V. Sommer: Kommunikation ist Manipulation. Zur Evolution von Lautsignalen (Gastvortrag)
*)Programmänderungen vorbehalten